Hinter dem Gebäude der Lebensgemeinschaft Christlicher Senioren liegt in nord-westlicher Richtung ein Wiesenstück mit starkem Gefälle zum Haus hin. In der untersten Etage wurde 2004 ein Aufenthaltsraum zu einem „Gruppenraum für demente BewohnerInnen“ umfunktioniert, der eine Türe nach draußen bekommen sollte. Für diese Gruppe sollte es eine Terrasse und einen kleinen Garten für Kräuter und Gemüse geben. Daraus ergab sich die Idee eines Sinnesgartens, der von vorneherein für alle anderen Menschen da sein sollte.
Literatur: pro Alter I/2004, KDA Annie Pollock “Gärten für Menschen mit Demenz“
Wegen der Hanglage mussten folgende Einschränkungen hingenommen werden: Kein wirklicher Rundweg war möglich, für Rollstuhlfahrer alleine wegen der Steigung nur bedingt benutzbar. Der Weg musste gepflastert werden wegen der Rollstühle und dem steinigen Untergrund, es wurden verschiedene Pflaster benutzt (schwieriger zu gehen, aber dadurch werden die Schritte bewusster gesetzt).
Ein schon vorhandener Teich mit Fischen, Seerosen und Fontäne wurde miteinbezogen. Eine Schaukel wurde aufgebaut.
Ein Gartenbauarchitekt machte eine Skizze und danach wurde der Weg ( weniger als 6% Gefälle wurde durch Serpentinen erreicht) durch das Gelände teils in Eigenleistung, teils von der Gartenbaufirma erstellt. Es gibt viele Sitzgelegenheiten. (Wegen Rutschgefahr muss der Weg im Winter allerdings gesperrt werden. Es ist nur der Weg zum Teich offen.) Der Hang wurde durch eine Trockenmauer abgefangen und die Bepflanzung nach eigenen Vorstellungen vorgenommen (nicht zu pflegeintensiv, aber trotzdem bunt, alles ungiftige Pflanzen – außer dem Buxbaum) und in folgende Sinnes-Bereiche eingeteilt:
Mitglieder der Dementengruppe, alle anderen BewohnerInnen, Angehörige und Gäste, besonders die Enkel und Urenkel unserer Bewohner. (Ein Raum, der für Familienfeiern zur Verfügung steht, liegt sofort neben dem Garten.)
Auf eine Einzäunung wurde verzichtet, da wir davon ausgingen, dass niemand wegläuft. Dies ist auch nicht der Fall. Da um das Haus nur Wald und Wiesen sind, die Wege immer wieder nur zum Haus zurückführen, ist von diesem Gelände noch niemand weggelaufen, das Haus ist immer Orientierungspunkt zum Zurückkommen.
Die Bewohner haben die Gestaltung interessiert verfolgt. Rüstige Senioren unserer Mietwohnungen helfen bei der Bearbeitung des Gartens, ebenso ehrenamtliche Mitarbeiter. Die „Wohnstube“ verarbeitet das Obst und Gemüse, wobei alle Bewohner das Obst essen können, ebenso die Besucher. Die Kräuter werden manchmal von der Küche benutzt, ebenso von den rüstigen Bewohnern und den Mietern, die selbst kochen. Die dementen BewohnerInnen schauen interessiert bei der Gartenarbeit zu, selbst mithelfen möchten sie in der Regel nicht.
Die Bewohner, Mieter, Angehörige und auch Senioren des Dorfes halten sich alle gerne in dem Garten auf, wobei die Rollstuhlfahrer leicht eingeschränkt sind, weil sie eine Begleitung brauchen. Personen mit schwacher Konstitution können den Weg durch den Sinnesgarten nur eingeschränkt gehen, beispielweise nur hangabwärts, was durch den Rundweg um das Haus herum ermöglicht wird. Da er einsehbar ist, schauen die Bewohner gerne auch vom Fenster hinaus in den Garten und erfreuen sich an der Natur.
Wir freuen uns, dass wir Veränderungen bei den Bewohnern spüren. Wir sind der Auffassung, dass Menschen gehend ihre Welt erfassen und erfahren und dass diese Bewegung ein Grundbedürfnis des Menschen ist, daher freuen wir uns sehr über diese zusätzliche Möglichkeit, die einen hohen Aufforderungscharakter hat. Ein Ergebnis ist, dass die Bewohner wieder Ziele zum eigenständigen oder gemeinsamen Spazieren gehen haben, denn das Erscheinungsbild des Sinnesgartens verändert sich im Laufe des Jahres immer wieder und durch eine langsame Erweiterung sind immer wieder neue Wege zu entdecken. Sie sitzen in Gruppen dort zusammen und unterhalten sich, Angehörige freuen sich über eine sinnvolle Möglichkeit der Besuchsgestaltung. In der „Wohnstube“ erleben wir deutlich, dass Erinnerungen an frühere Zeiten wach werden. Wir gehen davon aus, dass dies bei den anderen Bewohnern auch der Fall ist. Sätze wie „Wir hatten früher auch weiße Johannisbeeren“ oder Ratschläge wie „Bohnen sollten später gelegt werden, die erfrieren euch!“ sind Zeichen dafür. Im Sinnesgarten schaut man einfach genauer hin und entdeckt Dinge, z.B. dass ein Stein aus der Trockenmauer gefallen ist, dass die Rehe die Rosen abfressen, dass bestimmte Blumen noch fehlen, oder es werden Unkräuter erkannt und rüstige Senioren nehmen manchmal eine kleine Harke und sammeln die Unkräuter ein.
Für uns ist dies Anreiz, den Sinnesgarten noch weiter zu gestalten: Mit Jugendlichen und Bewohnern ist eine Aktion zur Herstellung von Pappmachéfiguren für den Garten geplant, die männlichen Bewohner werden im nächsten Jahr an Metallskulpturen arbeiten, der Garten soll noch vergrößert werden, allerdings ohne so intensive „Bewirtschaftung“, das weitere Gelände bleibt naturbelassen. Wir suchen einen Hobby-Landwirt, der Bergziegen auf einer der Wiesen grasen lässt – wenigstens für bestimmte Zeiten im Jahr. Da das Haus am Wald steht, kommen in den Winter- und Frühlingsmonaten Rehe an den Waldrand, die man vom Haus aus beobachten kann, es gibt viele Vögel, Kröten und sogar ungiftige, harmlose Schlangen, die sich auf den Steinen sonnen.
Wir sind sehr zufrieden mit dem Sinnesgarten, da er eine wirkliche Bereicherung ist – auch für die MitarbeiterInnen. Wir erleben, dass die Bewohner ganz stolz ihrem Besuch den Sinnesgarten zeigen. Und das einhellige Urteil ist, dass der Aufwand sich auf jeden Fall gelohnt hat und noch weiter lohnt.